VERWENDUNG TPO-HALTIGER PRODUKTE NACH DEM 01.09.2025
In den letzten Wochen geistert in vielen Nail-Facebook-Gruppen die Meldung herum, dass ab September 2025 alle TPO-Gele aus den Studios verschwinden müssen. Die Folge: Unsicherheit, hitzige Diskussionen – und jede Menge Fehlinformationen.
Hier kommt eine klare Einordnung, damit du genau weißt, was dich als Studiobetreiber*in wirklich erwartet … und was nicht.
1. Warum überhaupt ein Verbot?
Das Verbot wurde mit der Verordnung (EU) 2025/877 vom 13. Mai 2025 veröffentlicht und ist ab dem 1. September 2025 verbindlich.
Konsequenz: Hersteller, Importeure und Händler dürfen ab diesem Stichtag keine Produkte mit TPO mehr in Verkehr bringen – egal ob verkauft oder verschenkt.
2. Was bedeutet das für dein Studio?
Aufbrauchen erlaubt: Alle TPO-haltigen Gele, die du bis spätestens 31. August 2025 gekauft hast, darfst du weiterhin ganz normal in deinem Studio einsetzen. Du bist damit gesetzlich gesehen (End)Verbraucher*in und nicht „Inverkehrbringer“.
Weitergeben verboten: Nach dem 1. September 2025 darfst du keinen einzigen Tiegel mit TPO mehr verkaufen, verschenken oder sonstwie an Kolleginnen oder Kundinnen abgeben – egal, ob gegen Geld oder gratis. Jede Abgabe an Dritte gilt als „Bereitstellung auf dem Markt“ und ist untersagt.
3. Warum
Die Kosmetikverordnung richtet sich ausschließlich an die Lieferkette, also an all jene, die Produkte herstellen, importieren oder weitergeben. Als Nagelstudio verwendest du die Gele lediglich während deiner Dienstleistung und gibst sie nicht an Dritte ab; damit zählst du rechtlich zum Endverbraucher. Die „Verwendung“, von der die Verordnung spricht, meint die Verwendung des Stoffes in der Herstellung eines kosmetischen Mittels – nicht das Auftragen im Studio.
Deshalb darfst du alle TPO-Gele, die du vor dem 1. September 2025 gekauft hast, weiterhin ohne Einschränkung aufbrauchen. Ein Anwendungsverbot existiert nicht, solange du die Produkte nicht weiterverkaufst oder verschenkst. Die Pflicht, alte Tiegel wegzuwerfen, besteht also nicht. Umetikettierungs- oder Meldepflichten treffen dich als Endanwender*in ebenfalls nicht; sie liegen ausschließlich bei Herstellern und Händlern.
4. Ist die Anwendung jetzt gefährlich?
Nach wie vor spricht nichts dagegen: Das SCCS*-Gutachten, das die Verwendung von TPO in Nagelmaterialien bis zu 5 % als sicher einstuft, ist weiterhin gültig. Solange der Wissenschaftliche Ausschuss diese Bewertung nicht zurückzieht oder neu bewertet und zu einem anderen Ergebnis kommt, bleibt die Anwendung vorhandener TPO-Gele unter professionellen Bedingungen als unbedenklich eingestuft.
*Die SCCS (Scientific Committee on Consumer Safety) ist der unabhängige wissenschaftliche Ausschuss der EU-Kommission, der toxikologische Daten prüft und Gutachten zur Sicherheit von Inhaltsstoffen in Kosmetika und Verbraucherprodukten erstellt. Seine Stellungnahmen bilden die Grundlage dafür, ob ein Stoff in der Kosmetikverordnung zugelassen, eingeschränkt oder verboten wird.
5. Handlungsempfehlung
Was du jetzt konkret tun solltest, lässt sich in wenigen Schritten zusammenfassen. Erstens: Bestandsaufnahme machen und einen Kaufstopp für TPO-haltige Gele setzen – so sorgst du dafür, dass bis Herbst 2025 nur noch überschaubare Restmengen übrig sind.
Zweitens: Kaufbelege und Lieferscheine aufbewahren, um bei Bedarf nachweisen zu können, dass deine Produkte vor dem 01.09. erworben wurden (kennzeichne diese Produkte, so dass du bei der Verarbeitung unterscheiden kannst, welche davon vor oder nach dem Stichtag erworben wurden.)
Drittens: frühzeitig TPO-freie Alternativen testen, etwa Systeme mit TPO-L, BAPO/819 oder TMO, damit der Wechsel ohne Qualitätseinbußen klappt.
Viertens: Team und Kund*innen offen informieren – erkläre, dass Restbestände sicher sind und du parallel umstellst. Und fünftens: wie immer auf korrekte Aushärtung und saubere Hygiene achten; das minimiert Restmonomere, ganz gleich welcher Photoinitiator im Gel steckt.
Beispiel für deine Kundeninformation: "UV-Gele mit dem Inhaltsstoff TPO dürfen ab dem 1. September 2025 nicht mehr verkauft werden. Die Verwendung bereits vorhandener Produkte bleibt erlaubt und ist bei sachgerechter Aushärtung weiterhin sicher. Ich baue meine Lagerbestände verantwortungsbewusst ab und stelle auf TPO-freie Alternativen um. Bei Fragen sprich mich gern an!"
6. Hintergründe
Nachbestellen nicht möglich: Händler und Großhändler dürfen ab dem Stichtag keine TPO-Produkte mehr anbieten. Entsprechend kannst du danach auch keine Restbestände mehr nachkaufen.
Die Geschichte des TPO-Verbots liest sich – rückblickend – wie ein gut geölter Domino-Effekt, bei dem jedes Kapitel nahtlos ins nächste griff.
Alles begann mit der CLP*-Einstufung von 2010: Schon in der ersten Fassung des CLP-Anhangs VI tauchte TPO als Reproduktionstoxisch Kategorie 2 (H361f) auf – eine Warnstufe, die zunächst „nur“ Kennzeichnungspflichten für Chemikalien auslöste, aber keine direkten Folgen für Kosmetikprodukte hatte.
Um die Verbrauchersicherheit trotzdem sauber zu belegen, forderte die Kommission 2013 ein Gutachten des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit (SCCS) an. Am 27. März 2014 veröffentlichte der SCCS seine Schlussfolgerung (SCCS/1528/14): TPO ist in künstlichen Nagelsystemen bis zu 5 % sicher, solange ausschließlich Profis damit arbeiten.
Daraufhin bekam TPO einen formal geregelten Platz in der EU-Kosmetikverordnung: Mit der CMR-„Omnibus-Verordnung“ (EU) 2019/831 wurde der neue Eintrag 311 in Anhang III geschaffen. Seit 12. Juni 2019 war TPO damit europaweit zulässig – allerdings nur für professionelle Nagelprodukte, streng auf höchstens 5 % begrenzt und mit dem Hinweis „Für professionelle Anwendung. Hautkontakt vermeiden.“
Parallel nahmen Behörden den Stoff erneut unter die Lupe. Schweden reichte am 30. Juni 2020 einen CLH-Vorschlag (Harmonised Classification and Labelling) ein, TPO künftig als Repr. 1B und als Hautsensibilisierer 1B einzustufen. Der Risikoausschuss der ECHA (RAC) bestätigte diese Hochstufung im Herbst 2021, und die Kommission verankerte sie mit der 21. ATP zur CLP-Verordnung – Delegierte Verordnung (EU) 2024/197 vom 19. Oktober 2023. Die Verordnung trat am 25. Januar 2024 in Kraft; die neue Gefahrenkennzeichnung muss spätestens ab 1. September 2025 auf allen Chemikalienetiketten erscheinen.
Zwischenzeitlich machte REACH den Druck spürbar: Am 14. Juni 2023 nahm die ECHA TPO wegen seiner Reprotox-Eigenschaften in die SVHC-Kandidatenliste auf. Das bedeutete sofortige Informations- und Meldungspflichten für Unternehmen, war aber noch kein generelles Verbot.
Der letzte Dominostein fiel mit dem „Omnibus VII“ zur Kosmetikverordnung – Verordnung (EU) 2025/877. Veröffentlicht am 13. Mai 2025, streicht sie den Eintrag 311 wieder außer Kraft und setzt TPO als neuen Eintrag 1731 in Anhang II – also auf die Verbotsliste. Anwendungstermin auch hier: 1. September 2025, exakt synchron zur CLP-Frist.
Zusammengefasst in einem Fluss:
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2010 – CLP listet TPO als Repr 2.
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27 März 2014 – SCCS bestätigt Sicherheit bis 5 %.
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12 Juni 2019 – Eintrag 311 in Anhang III erlaubt ≤ 5 % für Profis.
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30 Juni 2020 – Schweden beantragt Hochstufung.
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Herbst 2021 – RAC stimmt zu;
19 Okt 2023 → (EU) 2024/197 veröffentlicht, CLP: Repr 1B.
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14 Jun 2023 – Aufnahme in SVHC-Kandidatenliste.
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13 Mai 2025 – (EU) 2025/877 verbannt TPO endgültig; ab 1 Sep 2025 dürfen Händler kein TPO-Gel mehr in Verkehr bringen.
Studios und Endverbraucher dürfen Bestände, die sie vor diesem Stichtag erworben haben, weiterhin ordnungsgemäß aufbrauchen – aber absetzen oder verschenken ist dann tabu.
CLP ist die Abkürzung für „Classification, Labelling and Packaging“ – also Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien. Dahinter steckt die EU-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008, die seit 2009 gilt und für alle Unternehmen verbindlich ist, die Stoffe oder Gemische in der EU herstellen, importieren oder vertreiben.
Wesentliche Inhalte – kurz erklärt
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An-GHS angelehnte Einstufung
CLP übernimmt das globale UN-System GHS (Globally Harmonised System). Für jede Chemikalie müssen physikalische, gesundheitliche und Umweltgefahren nach einheitlichen Kriterien bewertet werden.
Pflichtkennzeichnung
Ergibt die Einstufung ein Risiko, muss das Produkt vor dem „Inverkehrbringen“ mit:
- einem Signalwort (Gefahr / Achtung)
- Gefahrenpiktogrammen (z. B. Totenkopf ☠)
- H-Sätzen (Hazard) und P-Sätzen (Precaution)
- sowie einem UFI-Code für Notfallauskünfte
- versehen sein.
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Verpackungsvorschriften
Behälter müssen kindergesichert, auslaufsicher und korrekt etikettiert sein; für bestimmte Stoffe gelten Tastwarnzeichen oder Sicherheitsverschlüsse.
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Melde- & Inventarpflichten
Hersteller/Importeure müssen ihre Einstufung an die ECHA-Datenbank melden; gefährliche Gemische mit Gesundheitsgefahr brauchen zusätzlich eine Giftnotrufmeldung samt UFI.
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Harmonisierte Einstufungen (CLH)
Für besonders kritische Stoffe – etwa krebserzeugend, mutagen oder reproduktionstoxisch (CMR) – erlässt die EU eine verbindliche Einstufung in Anhang VI der Verordnung. Diese Einstufungen müssen alle Marktakteure unverändert übernehmen.
Verhältnis zu REACH
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REACH regelt Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien.
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CLP sorgt dafür, dass die Gefahrenkommunikation (Label & Sicherheitsdatenblatt) EU-weit gleich aussieht.
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Beide Verordnungen greifen ineinander: Wer eine Substanz unter REACH registriert, muss sie auch nach CLP einstufen und kennzeichnen.
Warum CLP wichtig ist
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Schutz: Einheitliche Gefahrensymbole schaffen Transparenz für Mitarbeitende, Verbraucher*innen und Rettungskräfte.
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Binnenmarkt: Einheitliche Regeln verhindern Handelshemmnisse in der EU.
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Durchsetzung: Verstöße können zu Verkaufsstopps, Bußgeldern oder Rückrufen führen.
Damit ist CLP der zentrale Rechtsrahmen, sobald du mit gefährlichen Stoffen oder Gemischen arbeitest – vom Großchemiehersteller bis hin zum kleinen Lack- oder Reinigungsmittelanbieter.
5 Kommentare
Materialien die TPO enthalten dürfen in Nagelstudios ab 1.9.2025 nicht mehr verwendet werden.Das gesamte Sortiment ist zu entsorgen und auszutauschen.
Ein Dilemma für manch kleines Unternehmen das wieder neu beginnen muss.Die Übergangszeit ist empfindlich kurz
Wichtiger Hinweis:
Die rechtliche Situation zum TPO-Verbot hat sich seit Veröffentlichung dieses Beitrags geändert. In der Schweiz hat das BLV klargestellt, dass TPO-haltige Produkte ab dem Stichtag auch in Nagelstudios nicht mehr verwendet werden dürfen. Darüber hatten wir zeitnah in unserer Profigruppe berichtet. Bitte achte immer auf das Veröffentlichungsdatum unserer News-Beiträge und prüfe, ob die Informationen noch aktuell sind. Wir geben hier nur dann Statements ab, wenn gesicherte Erkenntnisse vorliegen – tagesaktuelle Entwicklungen teilen wir in unserer Profigruppe.
Lieben Dank Marc für die umfangreiche Zusammenstellung der ab 01.09.25 in Kraft tretenden TPO- Regelung.
Viele Grüße
Anke
Stand 28.07.2025: Verwendungsverbot ab dem 01.09.2025 laut Kommission – Verhandlungen für Übergangs- / Aufbrauchsfrist sind eingeleitet.
Danke lieber Marc für deine Recherchen und für die inhaltliche Zusammenfassung zur TPO-Regelung.
Beste Grüße
Andrea